Montag, 11. August 2014

Kompetenzen ohne Bildung

Pädagogikprofessor Jochen Krautz







Jochen Krautz ist Professor für Kunstpädagogik an der Bergischen Universität Wuppertal. 2007 erschien von ihm das Werk «Ware Bildung – Schule und Universität unter dem Diktat der Ökonomie». Er ist gegen Kompetenzen als pädagogisches Konzept. Machen Kompetenzen denn dumm?
Ja, weil durch sie die Bildung abhandenkommt. Die Kompetenzorientierung vernachlässigt Fachinhalte und würdigt sie zu reinen Trainingsobjekten herab. 
Ob Lesekompetenz anhand des «Faust» oder der Handy-Gebrauchsanweisung erlangt wird, ist dem kompetenzorientierten System egal. Damit gehen Bildungsinhalte schlicht verloren.

Was sind denn «Kompetenzen» überhaupt?
Der Begriff «Kompetenz» geht auf den Kognitionspsychologen Franz Weinert zurück und ist im Alltagsverständnis positiv besetzt. Wer will schon einen inkompetenten Heizungsmonteur? Allerdings beschreibt Kompetenz im schulischen Zusammenhang eine innere, weder sicht- noch messbare Voraussetzung, etwas zu tun. Der Fachinhalt ist dafür zweitrangig.

Kompetenzen ohne Bildung – geht das?
Ja, leider, weil man Kompetenzen auch ohne Inhalte trainieren kann. Bildung ist etwas anderes. Der sich Bildende sucht die Auseinandersetzung mit dem Fachinhalt, will den Inhalt verstehen, Zusammenhänge erkennen und Neuland entdecken. Kurz – er denkt selber. Das selbständige Denken wird durch Kompetenzen aber weniger gefördert. Hier geht es vielmehr um Anpassung und trainierbare Fertigkeiten.

Sie kritisieren, dass der Nutzen der Kompetenzorientierung nicht erwiesen sei. Aber ist es denn der Schaden?
Es gibt keinen wissenschaftlich validen Konsens zum Kompetenzbegriff. Das Kompetenzsystem ist ein Konstrukt der OECD. Trotzdem hält die OECD daran fest. Dabei müssten die Reformer zuerst einmal beweisen, dass dieses neue System tatsächlich besser ist als das alte. Diesen Beweis gibt es aber nicht. Man darf in der Pädagogik nicht einfach etwas ausprobieren, denn damit verbaut man möglicherweise ganzen Generationen von Schülern die Lebenschancen. Die Kompetenzorientierung bringt faktisch eine Absenkung des Bildungsniveaus. Auch dass sie mehr Gerechtigkeit brächte halte ich für reine Rhetorik, denn dafür gibt es keinerlei Beweise. Klar, es gibt mehr Abschlüsse. Mehr Abschlüsse bei sinkendem Niveau – das hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun.

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